Die Überraschung scheint für viele groß: Die Bundesregierung rief wegen der Energiekrise zum Energiesparen beim Heizen auf und nun häufen sich Meldungen über Schimmel in den Wohnungen. Doch so überraschend ist das leider gar nicht.
Schimmelprobleme gehören zu den Evergreens in der Wohnungsbranche. Als die Bundesregierung zu Einsparungen beim Gasverbrauch aufrief, war es also ziemlich vorhersehbar, dass es vermehrt zu Schimmelmeldungen in den Haushalten kommen würde. So schreibt zum Beispiel die WirtschaftsWoche aktuell darüber (Heizung runter, Schimmel rauf: Ein Sparerfolg mit Nebenwirkungen).
Seit Jahrzehnten versuchen Vermieter ihre Mieter für das richtige Heizen und Lüften zu sensibilisieren. Die Betonung liegt hier einerseits auf richtig, andererseits auf und. Denn egal ob Mietwohnung oder Bauernhaus, die Physik ist immer die gleiche.
Die meisten Menschen kennen den Begriff der relativen Luftfeuchtigkeit. Relativ, denn abhängig von ihrer Temperatur kann Luft unterschiedlich viel Feuchtigkeit aufnehmen. Je wärmer die Luft, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Bei kühleren Temperaturen steigt also die relative Luftfeuchtigkeit bei sonst gleichen Bedinungen an. Trifft die Luft auf kühlere Oberflächen, kühlt sie sich dort ab und die Feuchtigkeit, die von der Luft nicht mehr aufgenommen werden kann, schlägt sich als Kondenswasser auf der Oberfläche nieder. Diesen Effekt kennt jeder von kühlen Getränken im Sommer. Und er geschieht genauso sichtbar auf Fensterscheiben in Gebäuden, aber auch unsichtbar an Wänden. Denn auch die Oberflächentemperatur der Außenwände ist niedriger als die der Raumluft, weshalb Schimmel sich in der Regel an Außenwänden bildet.
Durch Heizen und Lüften wird ein Kreislauf erzeugt, bei dem die feuchte Luft gegen trockenere, aber kühlere Luft ausgetauscht wird. Die kühlere Luft reduziert kurzzeitig die Raumtemperatur, wird aber schnell durch die in Wänden und Möbeln gespeicherte Wärme aufgeheizt. Dass man durch Lüften mehr heizen muss, stimmt daher nur bedingt. Denn richtiges Lüften heißt Stoßlüften für ein paar Minunten mit weit geöffneten Fenster, am besten mit Durchzug. Dabei wird innerhalb kurzer Zeit viel Luft ausgetauscht. Schädlich hingegen ist das Lüften über gekippte Fenster. Hier ist der Luftaustausch gering, was bei gleicher Zeit weniger Luftaustausch bedeutet oder für gleichen Luftaustausch eine längere Lüftungsdauer. Bei kühlen Temperaturen kühlt der Fenstersturz dadurch aus, was oftmals Schimmel in diesem Bereich nach sich zieht. Daher ist es mir jedes Mal ein Graus, wenn ich mit Blumen vollgestellte Fensterbänke sehe. Solche Fenster werden nie vollständig geöffnet.
Grundsätzlich gilt, dass die relative Luftfeuchtigkeit in Wohnräumen zwischen 40% und 65% liegen sollte. Unter 40% ist die Luft zu trocken für die menschlichen Schleimhäute, über 65% wird das Schimmelwachstum deutlich begünstigt. Um das besser im Blick zu haben, sind sogenannte Hygrometer sinnvoll. Darüber hinaus beeinflusst auch die Bausubstanz die Luftfeuchtigkeit und das Wohnklima.
So gibt es etwa Baustoffe, die überschüssige Luftfeuchtigkeit aufnehmen und später wieder an die Raumluft abgeben können, wie z.B. Lehmputz. Der günstige, dadurch häufig verwendete Gipsputz hingegen kann weniger Feuchtigkeit aufnehmen. Zementputz wiederum wirkt fungizid. Das bringt jedoch wenig, wenn eine Sperrschicht aus aus Vinyltapete und Dispersionsfarbe jeden Feuchtigkeitstransport verhindert und im Ergebnis die Feuchtigkeit darauf kondensiert.